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Hockenheim Historic – Postponed
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A Group C-Christmas Carol
Der Schwede Stanley Dickens ist als Le Mans-Sieger von 1989 eine feste Größe in der Geschichte der goldenen Gruppe C-Ära. Doch nur wenige wissen, dass der heute 68-Jährige einen höchst prominenten Vorfahren hat, der gerade in der Weihnachtszeit alljährlich wieder zu Ehren kommt.
Text : Norbert Ockenga veröffentlicht im PITWALK Magazine #58
Stanley Dickens kommt richtig ein bisschen ins Stottern. „Er muss der Bruder vom Vater des Großvaters meines Opas gewesen zählt er dann auf“ – und grübelt noch ein bisschen, ob ihm nicht vielleicht doch noch ein korrekter Verwandtschaftsgrad einfällt.
Am Ende bleibt’s für Urururonkel bei der spontanen Stammbaumforschung von Stanley Dickens – jenem immer ein bisschen wild aussehenden Schweden, der 1989 in einem Sauber-Mercedes die 24 Stunden von Le Mans gewonnen hat. Der entfernte Verwandte des schwedischen Rennfahrers ist Charles Dickens – der Autor von berühmten Romane wie „The Christmas Carol“. Es ist die Geschichte vom geizigen Miethai Ebenezer Scrooge, der von den drei Geistern der vergangenen, heutigen und künftigen Weihnachten geläutert wird, zusammen mit seinem Buchhalter Bob Cratchit und dessen ärmlicher Familie ein gemütliches Weihnachten feiert und zu einem großen Wohltäter im London des mittleren 19. Jahrhunderts wird. Alljährlich zum Feste wird die stimmungsvoll-sozialkritische Erzählung von Charles Dickens wieder neu bemüht – in Theatern, auf Lesungen, in Filmen, es gibt sie sogar als Muppets-Weihnachtsgeschichte mit Kermit und Miss Piggy als die Eheleute Cratchit.
Für Stanley Dickens ist die Literaturhistorie zunächst erstaunlich weit weg. „In der Schule haben wir ‚Die Pickwickier‘ und ‚Martin Chuzzlewit‘ gelesen“ – also das Erstlingswerk sowie einen weiteren großen Roman von Charles Dickens, „und ‚Die Nacht vor Weihnachten‘ kenne ich natürlich auch.“
Bücherwurm
Aber dass er in der Adventszeit plötzlich über das große Werk eines so weit entfernten Verwandten reden soll, und dann noch mit einem Motorsportjournalisten – damit hat der ehemalige Le Mans-Sieger hörbar nicht gerechnet. „Eigentlich ist das ja ganz witzig“, grübelt er. „Ein Schriftsteller lebt in einer ganz anderen Welt als ein Rennfahrer. Ich kenne keinen einzigen Schriftsteller in meinem motorsportlichen Umfeld – und überhaupt nur ganz wenige Künstler. Aber in meinen jungen Jahren war ich selbst auch Grafikdesigner – ich habe mich also zu Zeiten meiner Berufsausbildung sehr wohl in dieser künstlerischen Welt umgetan, der Motorsport war damals nur ein Hobby. Das hat sich irgendwann zwar geändert. Aber seit ich nicht mehr Rennen fahre, interessiere ich mich wieder mehr und mehr für Kunst.“
Zwar meint er beim ersten Nachdenken, er hätte keine Freunde aus dem Motorsport, mit denen er sich darüber unterhalten könne. Doch schnell stockt sein Gedankenfluss. „Stefan Johansson hat schon in den späten Achtzigern angefangen zu malen“, fällt ihm sein Landsmann ein, der bei McLaren und Ferrari Formel 1 fuhr und heute in der IMSA als Teamanteilseigner engagiert ist, „und Kenny Bräck“ – der ehemalige IndyCar-Pilot – „spielt in einer Band. Der lebt aber ja auch in London.“
Waschanlage
Dickens dagegen lebt seine kreative Ader heute als internationaler Marketingleiter in einer großen Automotivefirma aus. In Schweden. Dorthin, wo man ihn vom Namen her schon als Gruppe C-Fan nie verortet hätte. „Meine Urgroßeltern sind 1885 von England nach Schweden gezogen, weil mein Uropa spezialisierter Gleisbauen war und beim Bau der großen schwedischen Bahnlinie mitgeholfen hat. Die sind dann einfach dageblieben.“ Viel mehr wisse er nicht über die Wurzeln seiner Familie: „Ich habe einen älteren Bruder, der kümmert sich viel mehr um die Stammbaumforschung.“
Der Clan bleibt in Färila hängen, einem kleinen Ort im nordschwedischen Bezirk Gävleborg. Stanley Dickens’ Vater macht dort eine Ausbildung zum Polizisten. Dann folgt eine Polizeireform, die Familie wird nach Motala versetzt – eine Stadt in Östergötland im Südosten des Landes. Dort gibt es einen boomenden Speedwayverein für die schwedische Elitserien. „Aber Motorradrennen im Schmutz – das war irgendwie nichts für mich. Ich habe mich viel mehr Rallyes interessiert, denn die waren bei uns in der Gegend auch populär.“
In Motala lernt er auch den Formelsportler Reine Wissel kennen, damals ein Hauptgegner von Ronnie Peterson auf dem Weg durch die Nachwuchsformeln und in Richtung der Formel 1. Aus der flüchtigen Bekanntschaft wird eine Heldenverehrung.
Als in den späten Sechzigern im 50 Kilometer entfernten Mantorp Park eine neue Rennstrecke eröffnet wird, begleitet der junge Dickens den aufstrebenden Wissel, um ihm mal das Formel 2-Auto zu wienern oder ihm sonst wie bei den Rennen zu helfen.
Nach und nach gerät er immer tiefer in motorsportliche Gesellschaft – und fährt selbst Formel Ford und Formel 3, engagiert sich aber auch in einem Verein, der in Mantorp Rennen austrägt.
Türöffner
Diese Seilschaft importiert 1979 aus England sogenannte Sports 2000-Rennwagen, quasi geschrumpfte Le Mans-Boliden. Die Autos sind eigentlich Formel Ford 2000-Autos mit der Karosserie aus der alten Gruppe 6 – bis 1982 die Vorgängerklasse der Gruppe C. „Für die Sports 2000 habe ich einen Rückschritt in Kauf genommen. Denn die Wagen waren ein bisschen langsamer als die Formel 3. Aber ich wollte sie unbedingt bei uns daheim fahren.“
So kommt Jung-Stanley in seiner motorsportlichen Prägephase mit jenen Autos in Berührung, die ihm die größten Erfolge seiner Karriere bringen sollen: Sportwagen. Dickens wird zu einer festen Größe in der Gruppe C-Ära. Er ist – typisch schwedisch – irgendwie immer da, erfolgreich, höchst zuverlässig, schnell, macht aber kein Aufhebens um sich. „Dabei müssen Motorsportler immer auch kreativ sein“, sagt er, „vielleicht haben sie auch eine künstlerische Ader. Gerade in Schweden, wo große Firmen rar gesät sind, muss man sich als junger Pilot viel einfallen lassen, wenn man es auf der großen Bühne zu was bringen will.“ Und schon ist sein berühmter Verwandter aus der Literatur wieder vor seinem geistigen Auge.
Die Verbindungen, die er zu Gruppe C-Zeiten geknüpft hat, sind heute noch vorhanden. Der Kraichgauer Gruppe C2-Teamchef Fritz Gebhardt verpflichtet Dickens für seinen jungen Rennstall mit den urigen Eigenbauten – nachdem Dickens zuerst an der Seite des norwegischen Rallycross-Haudegens und Motorsport-Tausendsassas Martin Schanche in der neuen Klasse unterwegs gewesen war. In einem Eigenbau von Bo Strandell, der einen Porsche 934 etwas ungelenk und hausbacken für die junge Gruppe C adaptiert hat. Der Türöffner zu erfolgreicheren Zeiten für Dickens ist – der Hannoveraner Rennfahrer Frank Jelinski.
Blauäugig
Die beiden haben einander in der Formel 2 kennengelernt. Und Jelinski fährt da schon für Gebhardts C2-Team. Der Macher aus der Nähe von Sinsheim erlöst Dickens von den – wie der Schwede so typisch sagt – „nicht ganz so guten Teams“ und zieht ihn 1985 als Partner von Jelinski in seinen Gruppe C2-Rennstall. „Davor bin ich schon zwei Jahre lang für Dome in Japan gefahren – auf Vermittlung von Eje Elgh.“ Denn der schwedische Landsmann, heute ein angesehener Formel 1-Kommentator im Lande der Wikinger, nutzt die japanische Formel- und Sportwagenszene damals als Sprungbrett für die Formel 1 und empfiehlt der Marke aus Kyoto den jungen Dickens als Teamkollegen.
Damit stellen die frühen Achtziger die Weichen für die erfolgreiche Langstreckenlaufbahn von Dickens. Gebhardt übernimmt als de facto-Manager auch die Betreuung von Dickens und Jelinksi. Zuerst geht’s 1986 zu Brun-Porsche, für ein denkwürdiges Rennen in Japan, bei dem Brun die Team-WM gewinnt, danach 1987 zu Joest-Porsche, dem Musterknaben unter den 956-Kundenteams. „Beim ersten Rennen durfte ich an der Seite von Klaus Ludwig fahren. Das war für mich eine echte Ehre, mit so einem großen Namen im selben Auto zu sitzen. Doch danach musste ich mit Louis Krages fahren – also mit John Winter.“ Einem reichen Bremer Holzhändler, der aus Spaß unter Pseudonym als Herrenfahrer antritt. „Ein wirklich netter Mensch. Aber fahrerisch konnte ich mich neben ihm nicht weiterentwickeln. Ich dachte schon, das war’s dann mit meiner Karriere. Also sah ich nur noch einen Ausweg: die Formel 1. Weil die Gruppe C eine WM war, hatte ich die nötigen Punkte für eine Formel 1-Superlizenz, also habe ich gedacht: Das muss doch klappen. Ganz schön naiv.“
Über den Winter findet er die Hälfte jenes Etats, den das Minardi-Team für ein Jahr als Mitgift aufruft. „Das war das schlechteste Team, das es gab – aber meine einzige Chance. In der Woche vor der Fahrereinschreibung hat man mir gesagt, dass es einen Anderen gibt, der mehr Geld mitbringt. Das war zwar bitter – aber ich habe es trotzdem verstanden.“
Ein Angebot aus der japanischen Sportwagen-Szene, die mittlerweile auch mit Gruppe C-Autos ausgetragen wird und einen wahren Höhenflug erlebt, rettet die Laufbahn. Exilanten genießen im japanischen Motorsport immer einen Status als exotische Sonderlinge, der zwischen Bewunderung und Belustigung schwankt. Meist überwiegt die Verehrung. So auch bei Dickens. Erst recht, als er für das FromA-Team – dessen 962 heute im Besitz von Franz Konrad ist – gleich das erste Rennen gewinnt.
Bei einer für Japan üblichen großen Siegesparty mit Galaempfang in eine Riesensaal verspricht der Financier des Teams, Dickens seinen Formel 1-Traum zu erfüllen, sollte es am Jahresende zur Meisterschaft bei den Sportwagen langen. Das tut es – und der Geldgeber handelt einen Deal mit dem EuroBrun-Team für die letzten zwei Grand Prix des Jahres 1988 aus. Doch Oscar Larrauri, der bei Brun Gruppe C gefahren ist und den unglückseligen Aufstieg der Schweizer in die Formel 1 begleitet hat, rät seinem Kurzzeitteamkollegen von 1986 ab: Mit dem Auto könne er sich nicht qualifizieren, nur blamieren. „So wurde ich zum ersten Schweden, der jemals ein Formel 1-Angebot abgelehnt hat.“
Das erweist sich als Glücksgriff. Denn Kenny Acheson, mit dem er in Japan Gruppe A-Tourenwagenrennen gefahren hat, empfiehlt Dickens mit Nachdruck bei Peter Sauber und Max Welti – die damals gerade die Rückkehr der Silberpfeile in den großen Motorsport orchestrieren. „Wir alle, die wir seinerzeit in Japan gefahren sind, haben enorm zusammengehalten und uns geholfen, wo immer es ging. Aber auch Jochen Mass hat sich bei Sauber für mich starkgemacht.“
Stargast
Der unverhoffte Wechsel ins eidgenössische Gruppe C-Team beschert Dickens seinen größten Erfolg: Zusammen mit Mass und Manuel Reuter gewinnt er 1989 die 24 Stunden von Le Mans. In Japan sichert er sich mit Kunimitzu Takahashi einen weiteren Titel in der All Japan Endurance Championship – dort noch mit einem Porsche 962. „Die beiden Autos haben zwar gleich viel gewogen – sich aber völlig unterschiedlich angefühlt. Der Sauber fuhr sich viel mehr wie ein Formelauto – man hatte den Eindruck, mit dem könne man deutlich einfacher umgehen.“
Nach der Zeit bei Sauber heuert Dickens wieder bei Gebhardt an, denn die Kraichgauer Mannschaft hat inzwischen einen Gruppe C1 für die dritte und letzte Generation der gewaltigen Sportwagenklasse als Eigenbau auf Kiel gelegt. „Und bei Gebhardt hatte ich zu Beginn meiner Gruppe C-Karriere zwei weitere Familien gefunden – unter den Mechanikern, aber auch in der Familie Gebhardt selbst.“
Der Draht zu dem umtriebigen Teamchef und Exmanager ist nie abgerissen. Heute arbeitet Dickens für Gebhardts Automotivefirmen im Marketing – und liebäugelt auch mit einem Start beim Hockenheim Historic im Mai 2021. Dort richtet Gebhardt ein eigenes Rennen für historische Gruppe C-Wagen aus.
Dickens wäre einer der größten Stars der Szene, die beim Comeback die goldene Ära wieder lebendig machen würde. Wenn auch nur ein stiller und äußerst bescheidener. Ein echter Schwede halt.
Human & sporting
Stanley Dickens
Geboren 7. Mai 1952 in Färila,
Schweden
Lebt mit Lebensgefährtin Angelica Roberts in Motala, Schweden; Vater dreier Kinder aus erster Ehe
1970 - 1980 Rallyesport, Formel Ford und Tourenwagen; Formel 3 und Sports 2000
1981 Sports 2000-Europameister
1982 - 1985 Tourenwagen-EM, Formel 2-Interserie, Gruppe C2-WM
1986 Gruppe C-Sportwagen-WM
1987 Gruppe C-Sportwagen-WM, 24 h Daytona und Le Mans
1988 Japanischer Sportwagenmeister; Gruppe C-WM, Daytona und Le Mans
1989 Sieger 24 Stunden von Le Mans, Japanischer Sportwagenmeister
1990 Gruppe C-Sportwagen-WM, Japanische Sportwagenmeisterschaft
1991 Gruppe C-Sportwagen-WM und IMSA-Serie
Wann & wo?
27. - 29 August 2021
Hockenheimring
Ein 45-minütiges Rennen an jedem Tag, mit Boxenstopps für zwei Fahrer pro Auto direkt nach der Mittagspause.
Technisch und sportlich
Class 1a = Group C1 und IMSA-GTP (Baujahr 1987 bis 1990)
Class 1b = Group C1 und IMSA-GTP (Baujahr 1982 bis 1986)
Class 2a = Group C2, Junior, IMSA (Baujahr 1986 bis 1990)
Class 2b = Group C2, Junior, IMSA Light (Baujahr 1982 bis 1985)
Class 3a = Group C, IMSA, Japanese Group C (Baujahr 1991 bis 1993)
Class 3b = Sondereinladung des Veranstalters
The Bosch Hockenheim Historic - The Jim Clark Revival is an established motorsport event for vintage and young timers that draws large visitor numbers from Germany and throughout Europe to the traditional racing track in Baden each year. With twelve spectacular racing series & more than 500 participants bringing the magic of past racing days back to the time-honoured Motodrom, which has served as the stage for countless memorable racing battles.
• Group C• Tourenwagen Classics
• Lotus Cup Europe
• Historic Racer Association
• Boss GP
• Raceclub Germany
• Kurani Trophy
Further Information:
Entries & Driver Information
Zoe Copas
Tel: +44 (0) 7824 393839
E-Mail: zoe@groupcracing.com
Event & Sponsorship Information
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Hockenheim Circuit
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Press & Media
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This event is not organized or affiliated with Peter Auto S.A in any manner