
C-Fresh
Dezember 4, 2020
Alte Freunde treffen sich wieder
Februar 20, 2021
UFO-SICHTUNG
Rechtzeitig zum Comeback der Gruppe C mit einem Rennen auf dem Hockenheim-Ring im Mai 2021 lässt Fritz Gebhardt sein Rudel alter C2-Boliden wieder flottmachen. Sogar das legendäre Ufo soll beim Jim-Clark-Memorial wieder an den Start gehen – ebenso wie seine Nachfolgemodelle. Die Restaurierung wird dabei zu einem atemberaubenden Ritt durch die Motorsportgeschichte.
Text: Norbert Ockenga erschienen in PITWALK Magazine #57
Die Geschichte beginnt mit einem halben Renntransporter voller Bierkästen. „Wir haben mit allen, die am Bau des Autos beteiligt waren, gewettet, wie schwer das Monocoque wohl sein würde“, grient Bill Harris. Dabei mengt sich eine Mischung aus Stolz und Schalk in seinen Blick, und sein roter Bart schiebt sich vor lauter Grinsen zu vielen kleinen Inseln zusammen. „Wer am weitesten daneben lag, musste den Unterschied in Bier aufwiegen. Neumann hat auf 76 Kilogramm gewettet. Danach hatten wir einen halben Lkw voll Bier.“ Auf Kosten von Wettverlierer Michael R. Neumann, einem Karosseriebauer aus der Nähe von Jülich, der für Honda-Serienwagen Kits gebaut und mit seiner Firma Polyform auch die Karosserie für den Gebhardt-Sportwagen gefertigt hat. „Da waren wir echt stolz.“
Denn die Fahrgastzelle, die jetzt wieder im Licht der Neonröhren in einer Lagerhalle in Berwangen vor sich hin glitzert, wiegt gerade mal 44 Kilogramm. Und das, obwohl sich ein massiver Stahlüberrollkäfig über die Sitz- und Bodengruppe aus lauter eng beisammenliegenden Nieten spannt. „Da haben wir jede einzeln per Hand vernieten müssen“, erinnert sich Fritz Gebhardt. „Wenn man damit fertig war, hatte man so einen Unterarm.“
Dann macht er eine Bewegung, mit der er den Durchmesser eines Kaminrohrs nachbildet.
Raumfahrer
Das raumgleiterähnliche Gebilde ist das Rückgrat jenes Gruppe C2-Sportwagens, der 1986 seine Klasse bei den 24 Stunden von Le Mans gewonnen hat. Die C2 war damals so etwas wie heutzutage die LMP2 im Langstreckengefüge – eine Art Kleinwagenklasse, die als zweite Liga Privatteams vorbehalten war. Nur: Während heute in der LMP2 maximal vier Hersteller ihre Wagen an die Rennställe verkaufen dürfen, konnte damals jedes Team sein eigenes Auto bauen. Daraus resultierte eine Markenvielfalt, welche die C2 zu heimlichen Publikumslieblingen in der Sportwagen-WM machte. Weil die einzelnen Modelle sich in Form und Klang teils dramatisch voneinander unterschieden. Damals, sagt Gebhardt mit Strahlen in den Augen, hätte jeder Rennwagen noch seine unverwechselbare Seele gehabt, das sei der große Reiz der späten Achtziger und frühen Neunziger gewesen, vor allem in der Gruppe C.
Deswegen lässt der Kraichgauer diese Epoche jetzt auch wieder hochleben. Am zweiten Maiwochenende 2021 gibt es ein offenes Einladungsrennen für historische Gruppe C-Rennwagen auf dem Hockenheim-Ring, als neues Highlight des Jim-Clark-Memorial auf der badischen Formel 1-Rennstrecke.
Bis dahin haben Gebhardt und Harris noch eine Menge vor. Denn nicht nur der noch nackt dastehende Le Mans-Sieger von 1986 will restauriert werden, sondern auch seine beiden Nachfolger. Und vom direkten Vorgänger, dem Erstling von Gebhardt Motorsport, muss ein originalgetreues Replikat angefertigt werden. Die Negativformen, mit denen die Karosserieteile gefertigt werden, liegen schon griffbereit in der großen Industriehalle in Berwangen.
Der Erstgeborene ist etwas ganz Besonderes. „Das Ufo“, so nennt Fritz Gebhardt ihn liebevoll. Wie alle frühen Konstruktionen aus der Feder von seinem Bruder Günter und dem englischen Ingenieur Harris, weist auch das Ufo besonders lange Karosserieüberhänge und große Bodywork-Flächen auf. Beim ersten C2-Sportwagen sind dazu noch die Räder voll verkleidet. „Aber das“, murmelt Harris, und dabei versinkt er in sich selbst, „war für die Mechaniker ein bisschen unpraktisch.“ Denn die mussten bei den Sechsstundenrennen der WM auch die Räder wechseln – und deswegen die Abdeckungen unter den Kotflügeln jedes Mal mühsam ab- und wieder dranknibbeln.
Ein Gebhardt-C2 ist wie der erste Löwe, den man bei einer Safari in freier Wildbahn begegnet: Wer eines der badischen Modelle seinerzeit bei einem WM-Lauf oder bei den deutschen Supercuprennen live an der Rennstrecke gesehen hat, vergisst die urigen Langbauten nie wieder. Ihre Formensprache erinnert an Dackel: lang, fl ach – und tief über dem Asphalt kauernd. Denn Harris möchte das Beste für die Effi zienzformel der neuen Gruppe C rausholen: Wenig Luftwiderstand bedeutet niedrigen Verbrauch, also muss sich der Wagen fl ach ducken und wie ein Schiff lang nach hinten auslaufen; den Abtrieb will der Engländer anderswo holen – über den Unterboden. „Venturitunnel“, lächelt er – und zeigt unter den langen Blauen, der neben der nackten Fahrgastzelle schon fertig montiert steht.
Förderprogramme
Der Wagen in den Farben einer kanadischen Biermarke hat 1985 in Le Mans am Start gestanden. Es ist ein Schwesterwagen des Nackedeis von ADA – und ein direkter Nachfahre vom Ufo. Frank Jelinski hat die Geschichte dieses Modells geprägt – wie überhaupt einen Großteil der Historie des einstigen Kultteams, das sich gerade wieder neu formiert. „Er weigert sich noch ein bisschen, unsere Autos heute wieder zu fahren“, lächelt Gebhardt, „aber das kriege ich auch noch hin.“ Schließlich hat der Chef Jelinski damals nicht nur gefördert, sondern auch gemanagt. So erfolgreich sogar, dass er sich darüber für ein ordentliches Weilchen mit seinem Bruder Günter überworfen hat.
Dabei ist das Team eigentlich für den rennfahrenden Günter aufgebaut worden. Mit jener Nonchalance, die der Familie seit Generationen zu eigen ist. Opa hat eine Landwirtschaft mit Lohndrescherei in Berwangen, an der A6 nur wenige Kilometer landeinwärts vom Hoffenheimer Bundesligastadion entfernt. Papa hat keine Lust, das Stroh immer per Hand auf die Dreschmaschine wuchten zu müssen. Also erfindet er ein Förderband. Weil das auch bei anderen Bauern gut ankommt, baut Papa die Förderbänder in Serie und verkauft sie, bald schon in rauen Mengen. Das reicht, um Sohn Günter eine Karriere bis in die Formel 2 zu finanzieren.
Die Firma gibt’s immer noch, sie floriert dank des Booms von Onlinehändlern mit ihren riesigen Lagern und Auslieferungszentren wie nie zuvor. Inzwischen entwickelt sie eigene Transportstraßen und kümmert sich um sogenannte Intralogistik. Eine solche Anlage windet sich hinter den beiden C2-Rennwagen durch das Dunkel der Halle, denn dort ist heute nicht nur der Teamsitz – sondern auch das geheime Entwicklungszentrum der Intralogistiker. Neue Transportstraßen werden hier aufgebaut und getestet. Darum blinkt’s auch immer so um die alten Rennwagen herum.
Flechtkunst
Fritz Gebhardt hat das Unternehmen immer weiter ausgebaut und nebenbei auch eine Felgen- und Autoteilefirma dazu etabliert. Deswegen stapeln sich kistenweise schnieke Sporträder neben den Intralogistik-Prototypen. Sohn Marco tritt gerade in Fritz Gebhardts Fußstapfen, deswegen kann der sich nun wieder der Gruppe C widmen.
Das Comeback schlägt internationale Wellen. Etwa bei Chris Parsons – einem einstigen Sozius in der Anwaltskanzlei von Barry Bland. Der wiederum hat die Formel 2-EM und alljährlich den Macau-Formel 3-Grand Prix organisiert – und für Gebhardt die Statthalterschaft für die C2-Technikabteilung in England geleitet. Denn Bland, im Hauptberuf Versicherungsagent, war mit einer Dame aus Speyer verheiratet. Und Parsons wiederum hat zu Gruppe C-Zeiten in der Teamvereinigung OSCAR die Interessen der Rennställe gegenüber dem Motorsportweltverband vertreten. Gebhardt war innerhalb der OSCAR für die Belange der C2-Teams delegiert. „An den kann ich mich noch sehr gut erinnern“, meldet Parsons aus England. „Er hat die OSCAR immer sehr stark unterstützt – und war immer ein echt feiner Kerl. Von dem würde ich zu gerne mal wieder was hören.“
Die ganzen Bekanntschaften und Verflechtungen klingen zu verwirrend?
Nützt nix.
Denn diese einzigartige Verwobenheit zieht sich nicht nur durch die eigentliche C2-Ära in den Achtzigern und Neunzigern – sondern findet sich auf beinahe schon unglaubliche Weise auch in den heutigen Restaurierungsprojekten wieder.
Das geht schon mit dem Ufo los, das auf seinen Neubau wartet. Das hat Gebhardt – mit Hilfe von Bland – von Ron Dennis losgeeist. Der ist damals noch nicht McLaren-Boss, sondern krautet als Exmechaniker von Jack Brabham mit seinem eigenen Team Project Four vor sich hin. Er hat einen Versuchsträger von March – jener Firma, die der spätere FIA-Boss Max Mosley gegründet hat. Mit einem Prototypenmotor von Toyota – jenem TTE von Ove Anderson, aus dem inzwischen das Werksteam für die Sportwagen-WM in Köln-Marsdorf hervorgegangen ist.
Bei March arbeitet damals auch Bill Harris, als der nach einem Dualen Studiengang zum Fahrzeugtechnikingenieur 1966 seine Ausbildung in Coventry beendet. Seine Kundendienstarbeit bei March bringt Harris auch mit Jörg Obermoser zusammen – einen Sohn des Motorenwerkinhabers und Erfinders Albert Obermoser aus Bruchsal. Obermoser junior mag Papas Werk nicht fortführen, sondern lieber Rennen fahren. Dafür gründet er TOJ – Team Obermoser-Jörg. Das setzt unter anderem Eigenkonstruktionen in der Formel 2 ein, etwa für Keke Rosberg in jungen Jahren, und baut eigene Sportwagen für die Vorgängerregeln der Gruppe C. Die betreut Harris ab 1976 bei TOJ. „Mein erstes Rennauto“, erinnert er sich, „war ein Sportwagen, den Helmut Kelleners gefahren hat“. Der Vater des späteren Toyota- und Porsche-Werksfahrers Ralf Kelleners also – und Sohnemann Ralf wiederum ist heute ein Fixstarter in der Histo-Gruppe C, die im Mai in Hockenheim aufschlägt.
Ober-Kelleners
Günter Gebhardt klettert derweil erfolgreich bis in die Formel 2. Im eigenen Rennstall der Gebrüder. Denn die Selbermacher aus dem Kraichgau können genetisch bedingt gar nicht anders, als ihre Autos selbst einzusetzen. „Vor dem Team von Bertram Schäfer“, blickt Fritz Gebhardt zurück, „waren wir 1980 das offizielle VW-Werksteam. Wir haben die Autos in der alten Feldscheune neben dem Elternhaus vorbereitet.“
Die Scheune ist inzwischen, anno 2020, zu einer Lagerhalle und zum Gruppe C-Stall geworden, im einstigen Wohnhaus befindet sich heute das Büro von Gebhardt Motorsport.
Günter Gebhardt erhält als Formel 2-Talent das Angebot eines Brauerereisponsors, einen Arrows-Formel 1 zu testen. Doch er sagt ab: Arrows sei ihm nicht gut genug, für ihn komme nur Lotus infrage – oder gar nichts. Heute steht ein Arrows-Megatron von Eddie Cheever neben dem C88 in Berwangen. Das Auto gehört Wolfgang Huter – der jenes Rennen in Hockenheim organisiert, in welches der Gruppe C-Super Cup eingebettet werden wird. Gebhardt betreut den beigen Arrows für Huter.
Weil Günter Gebhardt 1981 nicht Arrows testen mag, steht er plötzlich auf der letzten Sprosse der Formelsportleiter. Und die Gebrüder disponieren um: Die Gruppe C und ihr interner Unterbau „C-Junior“ werden gerade geboren, mit innovativen Autos und allen Möglichkeiten, die ein ganz neues Spielfeld gewitzten Selfmademen mit Mut zur Lücke stets bietet. Die Gebhardts heuern Bill Harris an – und der baut den SC 02, also das Ufo.
Genauer gesagt: Er puzzelt ihn zusammen. „Die Hinterachse und das Heck stammen aus einem March 822 aus der Formel 2, wie mein Bruder ihn gefahren hat“, verrät Fritz Gebhardt, „die Vorderachse und die Pedalerie von dem TOJ-Obermoser-Sportwagen der alten Gruppe 6.“ In dem Formel 2 werkelt ein BMW-Motor, getunt von Erich Baier. „Russen-Erich“, nennen sie den Bad Aiblinger damals, denn neben den Formel 2- Motoren bereitet Baier auch Eisspeedway-Einzylinder für Sowjet-Spikeritter wie Juri und Sergei Iwanow oder Alexander Balaschow vor, er ist jahrzehntelang einer der besten Wintersport-Motorentuner der Welt.
Russen-Erich
Für das Folgemodell, den JC843, kommt ein Ford Cosworth-Formel 1-Motor ins ellenlange Heck. Es handelt sich um einen gebrauchten Motor, den Mario Andretti bei Lotus gefahren hat. Harris muss mit bündelweise Bargeld beim damaligen Brabham-Boss Bernie Ecclestone in dessen Lagerschuppen in London vorsprechen. Der kleine Gebrauchtwagenhändler macht das Tor erst auf, nachdem er das Geld nachgezählt hat – und zum Vorschein kommt ein Riesenmotorvorrat. Das Ufo kriegt Aggregat Nummer 110.
Michael R. Neumann steuert die glatte und ausladende Polyform-Karosserie bei. „Das Auto war für wenig Verbrauch konzipiert“, schwärmt Harris. „Es war sehr windschlüpfrig. Wir hatten einen cW-Wert von 0,28.“ Vor allem, weil störende Flügel so flach und schmal wie möglich gehalten werden. „Ich habe mich mit vielen Formel 1-Ingenieuren über die Aerodynamik und die Wirkung von Venturitunneln unterm Auto unterhalten, unter anderem auch mit Gustav Brunner. Von dem habe ich gelernt: Je effektiver ein Venturi arbeitet, desto mehr verlagert er die Gewichtsverteilung nach vorn. Da braucht man keinen Frontspoiler mehr.“
Die vorn ganz glatten und hinten enorm lang auslaufenden C2-Gebhardt kommen so auf der Hunaudières in Le Mans auf 353 km/h.
Maderfraß
Das Ufo überlebt nicht lange. Frank Jelinski baut in Snetterton einen happigen Unfall. Deswegen muss der Erstling aus der Sinsheimer C2-Modellreihe nun auch anhand von Formen von Null nachgebaut werden.
Die nächste Karosserie stammt von Bruce Rosden. Dessen Firma RAT baut in England auch Karosserien für viele Formel 1-Teams – und betreut fortan die Gebhardt-C2. „Unsere erste Karosserie war schon aus Kohlefaser“, sagt Harris. „Ich konnte mit einem ganzen Seitenkasten allein durchs Fahrerlager laufen.“
Der JC853 wird zum erfolgreichsten Modell des Teams. Der eidgenössische Tuner Heini Mader konzipiert dafür einen 3,3 Liter großen Cossie-Saugmotor. „Wegen des Verbrauchs konnten wir nur bis 9.000/min drehen“, erläutert Harris. „Die anderen Rennmotoren dieser Zeit haben alle viel höher gedreht, deswegen brauchten wir einen verbrauchsarmen Motor.“
Aus dem Ufo, der ein zweisitziger Formel 2 mit windschnittiger Karosserie gewesen ist, wird nun ein reinrassiger Langstreckensportwagen. Dabei führt er das Erbe vom Ufo fort: Eine flache, lang auslaufende Karosserie mit vielen schwungvollen Formen arbeitet mit zwei breiten Tunneln im Fahrzeugboden zusammen, die in einen Monsterdiffusor zwischen den Hinterrädern münden. Der Motor liegt hoch in der Mitte, hinter ihm würmt sich der Auspuff im weiten Bogen ins Heck – und das braucht viel Platz, um die hochlaufende Krümmung vom Riesenunterboden überhaupt aufnehmen zu können.
Stückgut
Ein JC843 wird ans englische ADA-Team verkauft. Das gewinnt damit 1986 die C2-Klasse bei den 24 Stunden von Le Mans. Ein zweites Modell setzt Gebhardt selbst ein – und verkauft es 1987 für die IMSA-Lights-Klasse an seinen amerikanischen Namensvetter Alf Gebhardt.
Das ADA-Auto ist gerade aus England zurückgekehrt. Allerdings in Einzelteilen, nach Zwischenstationen beim Rosso-Bianco-Museum und beim Damax-Team, das es schon in der Histo-Gruppe C eingesetzt hat. Nun wird es wieder restauriert. „Ich habe beim Auspakken der Kisten sogar noch Dreieckslenker gefunden“, schmunzelt Harris, „die ich 1983 selber geschweißthabe.“
Der US-Export erlebt noch einige Einsätze in der IMSA, unter andem mit Gebhardt-Stammfahrer Stanley Dickens am Steuer. Und mit Jan Thoelke – dem Sohn von Showmaster Wim Thoelke, bekannt von Wumm und Wendelin aus dem ZDF. Thoelke junior ist sogar beim Supercup in Diepholz in einem Gebhardt am Start. Danach landet das Kraftfahrzeug bei Rechtsanwalt Arthur Porter in Denver, der es allerdings nur als Sammlerobjekt betrachtet und aufwändig restauriert. „Wir haben es in 40-Fuß-Containern aus den USA zurückbekommen“, so Gebhardt. „Als wir die ganzen Kisten aufgemacht haben – das war wie Weihnachten.“ Noch stapeln sich reihenweise Ersatzteile, viele davon gezeichnet vom Zahn der Zeit, im Lager neben der Haupthalle in Berwangen. Ein Reservemonocoque ruht noch fein säuberlich eingeschweißt und in Styropor gebettet in einem Riesenkarton, darauf wartet eine eingewickelte Fronthaube darauf, ausgepackt zu werden.
Soko Rennwagen
Gebhardt röntgt die Lagerhalle mit einem teils erheiterten, teils abschätzigen Blick: „Hier könnte man auch mal aufräumen.“
Man ist allerdings gerade dabei, denn der blaue JC853 ist beinahe fertig restauriert, und vor dem ADA-Wagen hat auch bereits eine Ersatz-Monocoquewanne Aufstellung genommen, aus Alu und zentimetergenau vernietet wie das Original.
Nur das Ufo wartet noch. Aber ein Organspender dafür ist schon gefunden: ein March-BMW aus der Formel 2. „Als der JC853 nach Amerika gegangen ist, habe ich dafür unter anderem einen Formel 2 in Zahlung genommen“, holt Gebhardt aus. „Den habe ich dann an Udo Wagenhäuser verkauft“ – den späteren Teamchef des MM-Teams, das im Dunkelgrün einer Altbierfirma mit zwei M3-Gruppe A in der Ur-DTM gefahren ist. „Dann haben wir gesagt: ‚Wir bauen das Ufo wieder auf, also brauchen wir eine Formel 2- Hinterachse und die 13-Zollreifen.“
Einen Formel 2 findet Gebhardt bei Sammler Ralf Walter in Augsburg. Dem überweist er den Kaufpreis in zwei Raten – was ihm prompt einen Polizeibesuch einhandelt. „Der ist schon über 80, und vom Geldwäschegesetz hat er noch nie was gehört“, schüttelt sich Gebhardt. „Nachdem unsere Zahlung bei ihm auf dem Konto war, wollte er die ganze Summe in bar mitnehmen.“
Kaum sind die Beamten mit ihren unausweichlichen Rückfragen zu „diesem Rennwagen da“ aus dem Hause, erlebt Gebhardt die nächste Überraschung: Die Fahrgestellnummer zeigt ihm, dass er sich exakt jenen Wagen wieder organisiert hat, den er anno ’87 in Zahlung genommen hat. „Dabei habe ich nur aus reinem Zufall überhaupt mal auf das Typenschild geschaut.“
Jetzt steht der March-Formel 2 neben dem dritten Restaurationsobjekt: dem C88-Audi, dem letzten C2 von Gebhardt. Den hat Bruder Günter schon ohne Zutun von Fritz entwickelt. Denn die beiden zerstreiten sich, als Fritz den von ihm gemanagten Frank Jelinski und Stanley Dickens zu Joest-Porsche in die C1-Klasse hievt. Der Hannoveraner und der Schwede werden so zu Teamkollegen des Bremers Louis Krages, der unter dem Pseudonym „John Winter“ fuhr, die nächste Karrierestufe. Bei Günter Gebhardt kommt das so an, als spanne sein eigener Bruder dem eigenen Rennstall die besten Pferde aus.
Ölpest
Harris bleibt Günter treu und konzipiert den C88, ein Modell, das aussieht wie ein geschrumpfter C1. Zuerst entwickelt Wolfgang Weigel mit seiner Firma WRT dafür einen – so Harris – „Über-Vierzylinder mit 18,8 Litern und 600 PS“ auf Basis des Motors aus dem VW Caddy. „Ab und zu hat dessen Kurbelwelle auf der Straße gelegen, und beim ersten Rennen haben wir bestimmt 50 Liter Shell-Öl über ganz Monza verteilt.“
Auf Vermittlung von Rennfahrer Helmut Mundas kommt Gebhardt an jenen Audi-Fünfzylinder, mit dem das Ingolstädter Werksteam in der nordamerikanischen TransAm-Serie fährt. Das wegen seines großen Laders unverwechselbar fröhlich zwitschernde Aggregat basiert noch auf dem Gruppe B-Rallyemotor des Ur-quattro. Auch im wieder renovierten C88 ist der Zwitscherer noch im Heck. „Aber das ist der letzte Block, den es davon noch gibt“, warnt Harris. „Lehmann versucht gerade, neue Blöcke zu gießen – aber noch haben wir keine davon.“
Der kleine C2 ist per Reglement um 200 Kilogramm leichter als die C1 von Porsche, Jaguar und Co. Er wiegt nur 750 Kilogramm. Deswegen bringt er auf manchen Strecken die Reifen besser zum Arbeiten als die Großen. Wo Porsche den Sturz und den Nachlauf aufreißen muss, um überhaupt Temperatur in die Pneus zu bringen, kann der C88 mit optimaler Abstimmung fahren. Giampiero Moretti, inzwischen bei Gebhardt als Fahrer des Momo-Gebhardt-Porsche 962C und Financier an Bord, nennt den C88 deswegen „Kanonenkugel“. Der Rote erringt mit Moretti, Almo Copelli und dem griechischen Reedersohn Costas Los 1990 Platz 11 bei einem IMSA-Rennen in Miami, mitten im Feld der klobigen GTP – also dem US-Pendant zur C1.
Schweinkram
Dann baut auch Gebhardt einen C1, Harris nennt ihn „the plastic pig“, das Plastikschwein, weil es aus einer Kohlefaserkarosserie besteht wie in der letzten Gruppe C-Generation üblich. Allerdings ist das Fahrgestell von WRT in Mühlbach bei Ippingen gefertigt worden. Es war 1990 schon das erste einteilige Kohlefaserchassis im Sportwagensektor – eine technische Errungenschaft, die Jahre später Audi mit ihren Le Mans-Boliden irriger Weise für sich beanspruchen möchte.
Das geschichtsträchtige Plastikschwein ist schon seit Jahren rennfertig. Es steht in England bei Gebhardt-Fahrer Michael Lyons – und wird im Mai in Hockenheim ebenso am Start stehen wie die C2-Armada.
Bei denen läuft der Wiederaufbau auf Hochtouren. „Du kriegst fast alle Teile in England“, schildert Gebhardt, „und die meisten Leute aus der heutigen Historischen Gruppe C-Szene sind uns von früher noch bekannt.“
So wartet in einer weiteren Transportkiste schon ein Cossie-Motor, der – wie früher – im Heck des Langen eingebaut werden soll. Histo-Rennfahrer und -Tuner Paul Knapton hat ihn wieder bei seiner Firma Xtech hergerichtet. So eine Revision kostet 35.000 englische Pfund, also gut 38.500 Euro. Für einen fertig wieder restaurierten C2 könnte Gebhardt mindestens 200.000 Euro verlangen, und das ist bei den Preisen, die derzeit für Gruppe C-Gebrauchtwagen am Markt erzielt werden, noch höchst defensiv geschätzt.
Schließlich sind die langen Flundern echte Unikate. Doch verkaufen möchte Gebhardt seine Wagen ohnehin nicht. Sie sollen am ersten Maiwochenende beim Super Cup in Hockenheim laufen. Mit Lyons, Jacob Erlbacher, Michael Herich – und Stanley Dickens, jenem charismatischen Schweden, der 1989 in einem Sauber-Mercedes Le Mans gewonnen hat.
Bis dahin hat Bill Harris noch einige Arbeit vor sich. Doch der Engländer blüht förmlich auf, wenn er mit vom Alter langsam und holprig gewordenen Schritten zwischen den drei C2-Baustellen hin und her läuft. „Ich habe im Nachbarort mein Deutsch gelernt und bin hier längst heimisch geworden“, sinniert er. „Aber dass ich noch mal mit meinen Babys von früher zu tun haben würde – damit hätte ich bis vor Kurzem auch nicht gerechnet.“
Dabei wird seine Stimme ganz sanft, eine auffallende Milde umschmiegt sein Antlitz, und fast meint man, in den Augen eine aufsteigende Feuchtigkeit zu erblicken. „Die Gruppe C“, meint Gebhardt, „berührt die Menschen noch heute. Nicht nur die Zuschauer, sondern vor allem alle, die damals damit zu tun hatten. Das erleben wir immer wieder – und dieses einzigartige Gefühl möchten wir im Mai in Hockenheim rüberbringen.“
Historisch & sportlich
ADA
Das Team, das mit einem Gebhardt-Chassis anno 1986 die C2-Klasse bei den 24 Stunden von Le Mans gewann, fußt auf einem Unternehmen für Motorsportersatzteile, Getrieberevisionen und Fahrwerksvermessungswerkzeuge.
Die beiden Londoner Ian Harrower und Chris Crawford – der danach jahrzehntelang bei Konrad Motorsport die technische Leitung innehaben sollte – übernahmen ADA 1977 von den Firmengründern Leon Smith, Gerard Sauer und Woody Harris. Die wiederum hatten dem Hause ihren Namen gegeben: „Anglo-Dutch-American“, nach den Nationalitäten ihrer Gründer.
Harrower und Crawford bauen für die erste Gruppe C Saison, 1982, einen Lola aus der Sammlung des anglofranzösischen Herrenfahrers Alain de Cadenet fürs neue Sportwagen-Reglement um. Der Erstling wird für 1983 mit einer Niederabtriebskarosserie umgebaut, ehe dann 1984 ein Gebhardt JC483-Cosworth ins Haus kommt. In dem siegen Harrower/Evan Clements 1986 in der C2 in Le Mans und wurden Dritte in der WM-Endabrechnung.
Crawford und der brasilianische Ingenieur Ricardo Divila, der im April 2020 im Alter von 74 gestorben ist, bauen auf der Basis des JC853 zwei ADA-Eigenkonstruktionen, die Modelle ADA/02 und /03, in denen unter anderem Tiff Needell fährt.
When & where?
27. - 29th August 2021
Hockenheim Ring
28. - 29th August 2021 Pro Tag je ein 45-minütiges Rennen mit Boxenstopps für zwei Fahrer pro Auto direkt nach der Mittagspause.
Technical and sporty
Class 1a = Group C1 and IMSA-GTP (Year of construction 1987 to 1990)
Class 1b = Group C1 and IMSA-GTP (Year of construction 1982 to 1986)
Class 2a = Group C2, Junior, IMSA (Year of construction 1986 to 1990)
Class 2b = Group C2, Junior, IMSA Light (Year of construction 1982 to 1985)
Class 3a = Group C, IMSA, Japanese Group C (Year of construction 1991 to 1993)
Class 3b = Special invitation from the organiser
Der Bosch Hockenheim Historic - Das Jim Clark Revival ist eine etablierte Motorsportveranstaltung für Old- und Youngtimer, die jedes Jahr zahlreiche Besucher aus Deutschland und ganz Europa auf die badische Traditionsrennstrecke lockt. Zwölf spektakuläre Rennserien & mehr als 500 Teilnehmer bringen den Zauber vergangener Renntage zurück in das altehrwürdige Motodrom, das als Bühne für unzählige denkwürdige Rennschlachten diente.
• Group C• Tourenwagen Classics
• Lotus Cup Europe
• Historic Racer Association
• Boss GP
• Raceclub Germany
• Kurani Trophy
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Hockenheim Circuit
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Diese Veranstaltung ist nicht organisiert oder in irgendeiner Weise mit Peter Auto S.A. verbunden